Digitalisierung als Begriff ist allgegenwärtig und beschrieb ursprünglich die Umwandlung analoger in digitale Datenformate. Heutzutage wird dieser Begriff sehr breit gefasst und beschreibt in der Unternehmenspraxis die Nutzung von Informationstechnologie für eine Neuausrichtung des gesamten Geschäftsmodells, die Erhöhung der Effizienz von Prozessen durch Algorithmen und den systematischen Einsatz von Daten in einer Organisation zur Strategieentwicklung und konsequenten Umsetzung. Wir fokussieren uns auf den letzten dieser drei Einsatzbereiche.
Daten in den Mittelpunkt einer strategischen Unternehmenssteuerung zu stellen ist kein grundsätzlich neuer Ansatz. Allerdings erlauben drei zentrale Trends der letzten Jahre auch kleineren, mittelständigen Unternehmen den Einsatz von Daten für die Unternehmenssteuerung:
Datenverfügbarkeit. Die Generierung und Speicherung von Daten ist so einfach und kostengünstig wie nie zuvor. Während für das strategische Controlling in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts fast ausschließlich nur Daten des Rechnungswesens (Umsätze, Kosten, Bilanzpositionen) zur Verfügung standen, werden heute – oftmals als Ergebnis digitalisierter Prozesse – Daten entlang der gesamten Wertschöpfungskette produziert oder sind öffentlich verfügbar: Google Analytics, Sensoren in Maschinen oder Mitarbeiterurteile auf Kununu sind Beispiele für derartige neue und kostengünstige Datenquellen.
Instrumente. Die Aufbereitung, Analyse und Visualisierung von Daten ist so einfach und kostengünstig wie nie zuvor. Cloudbasierte Speicherung von Daten, Standardsoftwarepakete zur Visualisierung von Ergebnissen (z.B. Tableau) oder zur Datenanalyse (z.B. R) sind verfügbar und unabhängig von zugrundeliegenden Daten oder Geschäftsmodellen nutzbar. Sie erlauben es, zielgerichtet unternehmerische Fragestellungen unter Einsatz von (vorhandenen statistischen) Methoden wie der Regressionsanalyse und (vorhanden, etablierten) Konzepten wie Werttreiberbäume oder Kennzahlensysteme zu adressieren.
Know-how. Die Ausbildung und Weiterbildung im Bereich Data Centricity ist so umfassend wie nie zuvor. Programmierung und statistische Grundkenntnisse gehören zum Curriculum vieler Hochschulstudiengänge und Weiterbildungsinitiativen. Zudem haben sich in den letzten Jahren verstärkt Studienprogramme rund um die Bereiche „Data Analytics“, „Management Analytics“ und „Business Analytics“ entwickelt, welche diese Fähigkeiten gezielt ausbilden. Darüber hinaus stehen online Weiterbildungskurse und Zertifikatsprogramme, oftmals sogar kostenlos, zur Verfügung.
Interessanterweise beobachten wir allerdings auch, dass gerade in kleineren und mittelgroßen Unternehmen des Mittelstandes die Möglichkeiten einer datengetriebenen Unternehmenssteuerung nicht umfänglich genutzt werden. Warum ist das so? Die folgenden Punkte spiegeln hier unsere Beobachtung wider:
Dominanz des Bauchgefühls. Strategische Überlegungen, Maßnahmen und Initiativen in der Unternehmenssteuerung passieren oft ad-hoc. So berichten uns immer wieder Geschäftsführer mittelständischer Unternehmen, dass sie „die Strategie im Kopf haben“ (aber nicht dokumentiert), dass Dinge gemacht werden „weil diese schon immer so erfolgreich gemacht wurden“ (aber nicht hinterfragt) oder „weil man daran glaubt“ (ohne fundierte Faktenbasis). Derartiges Erfahrungswissen kann sehr hilfreich sein. Es ist aber wenig verwunderlich, dass sich im gesamten Unternehmen kein einheitliches Verständnis entwickelt, inwiefern Daten zu informierten Entscheidungen beitragen könnten.
Isolierte Datenstrukturen. Obwohl Daten potenziell zur Verfügung stünden, werden diese nicht miteinander verknüpft und in einen Zusammenhang gebracht, um Zusammenhänge evidenzbasiert abzuleiten und Entscheidungen auf ihren Erfolg hin zu überprüfen. Daten aus öffentlichen Datenquellen (z.B. Rohstoffpreisentwicklungen), aus Online-Vertriebskanälen (z.B. Webseitenzugriffe), aus Kundenkontakten (z.B. Kundenbesuche) und Daten des Rechnungswesens (z.B. Umsatz- und Kostenentwicklungen) werden isoliert analysiert, aber nicht in einen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang gebracht. Erste Versuche hierzu scheitern oftmals schon an isolierten Datenquellen oder unterschiedlichen Arten der Datenaufbereitung.
Fehlender Wissenstand. Die Fähigkeiten, Daten zu generieren, aufzubereiten und zu analysieren sind im Mittelstand teilweise unzureichend vorhanden. Zum einen bezieht sich dies auf die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter in Bezug auf methodische Instrumente (statistische Kenntnisse, Programmierkenntnisse) als auch auf die Fähigkeit, unternehmerische Fragestellungen anhand von Daten zu adressieren. Zudem mangelt es bei vielen Unternehmen auch an Vertrauen und Transparenz. So sind uns viele Unternehmen bekannt, bei denen Daten gar nicht oder nur unzureichend geteilt werden oder Mitarbeiter nur ausschnittsweise Daten (ihres eigenen Bereiches) nutzen dürfen. Ein ganzheitliches Verständnis von Erfolgsfaktoren des Geschäftsmodells kann so nicht geschaffen werden.
Eine Vielzahl an wissenschaftlichen Studien zeigt, dass der Einsatz von Daten in der Unternehmenssteuerung einen erheblichen Mehrwert bietet. So schneiden Unternehmen, welche datengestützt Entscheidungen treffen und diese erfolgreich implementieren, deutlich besser ab als diejenigen, welche dies nicht oder nur unzureichend tun (z.B. Brynjolfsson/McElheran (2016), Ittner/Larcker (2003)).
In den nächsten Wochen gehen wir auf drei ausgewählte Bereiche ein, bei denen Daten einen zentralen Mehrwert für die Unternehmenssteuerung liefern können. Alle drei Beispiele beruhen auf unseren persönlichen Erfahrungen, Ergebnissen aus Studien und persönlichen Gesprächen mit Führungskräften aus der Unternehmenspraxis.
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Photo by Nick Fewings on Unsplash