OKR und Mittelstand - passt das?

Wie können innovative mittelständische Unternehmen von innovativen Führungsansätzen profitieren? Darüber habe ich mich mit Sabrina Breuer von Workpath unterhalten. Workpath ist eine der führenden Software-Plattformen für agile Steuerung mit OKRs und Mitarbeiterentwicklung.

Das Interview wurde zuerst im Workpath Magazin veröffentlicht.

Workpath Magazin: Du hast bereits viel Erfahrung in der Beratung von mittelständischen Unternehmen gesammelt. Wie können Objectives und Key Results (OKRs) solchen Unternehmen helfen, sich für eine erfolgreiche Zukunft aufzustellen?

Alle Organisationen mit denen ich zusammenarbeite, zeichnen durch ihre Unternehmensvision ein Bild einer erfolgreichen Zukunft für sich auf und entwickeln eine Strategie, mit deren Hilfe sie diese Vision erfüllen wollen. Ich helfe den Unternehmen dann dabei, die Strategie, die in eine erfolgreiche Zukunft führen soll, im Tagesgeschäft umzusetzen. Genau hier bieten OKRs wertvolle Hilfestellung. Auch im Mittelstand zeigt sich häufig, dass traditionelle Zielsysteme zur Strategieumsetzung an ihre Grenzen stoßen. Silodenken in den Bereichen und Abteilungen, wenig flexible und aufwändige Jahreszielvereinbarungsprozesse, mangelnde Transparenz zu Zielen und der aktuellen Erreichungsgrade sowie fehlende gemeinsame Ausrichtung auf ein gemeinsames, übergeordnetes Ziel sind Sympthome, die ich immer wieder in Projekten sehe und die mit OKR sehr wirksam behandelt werden können.

Zudem beobachte ich, dass OKRs gerade auch für Unternehmen in einer laufenden Nachfolgeregelung interessant sind. Die nachrückende Unternehmergeneration ist sehr offen gegenüber neuen Managementansätzen und nutzt Instrumente wie OKR dafür, sich vom Managementerbe ihrer Vorgänger etwas zu lösen und einen Managementkulturwandel einzuleiten.

 

Workpath Magazin: Was ist Deiner Meinung nach bei der Einführung und Umsetzung von OKRs bei Mittelständlern anders als bei Startups oder auch großen Konzernen?

Da ein Großteil meiner Kunden Familienunternehmen sind, arbeite ich in den meisten Projekten direkt mit den Inhabern zusammen. Das sind häufig sehr gestandene Unternehmerpersönlichkeiten, die teilweise in 3. oder auch 4. Generation das Unternehmen führen. Die Firmen sind geprägt von einer außergewöhnlich langfristigen und nachhaltigen Ausrichtung, was sich dann auch in den OKR-Projekten widerspiegelt. Die Qualität der Ausführung ist häufig wichtiger als die Projektrealisierungszeit, sodass wir genug Raum für eine gute Bestandsaufnahme und Planung erhalten. Zudem ist der unmittelbare Erfolgsdruck in den ersten OKR-Zyklen aufgrund der Langfristigkeit niedriger, sodass wir den Rücken frei haben, um zu Lernen und notwendige Anpassungen in den OKR-Systemen vornehmen zu können. Diese langfristige Ausrichtung im Denken und Handeln wird dann aber immer wieder gepaart mit einer gesunden Hands-on-Mentalität. Endlosdebatten, in denen alle Eventualitäten beleuchtet und bewertet werden, begegne ich im Mittelstand sehr selten. Wenn die Unternehmer überzeugt sind, dass eine Initiative wie die OKR-Einführung die Zukunftsfähigkeit ihrer Unternehmens weiter unterstützt, heißt es häufig: „Machen“. Ich finde persönlich, dass diese Einstellung sehr gut zu den Grundideen von OKRs passt.

Workpath Magazin: Was sind die größten Herausforderungen bei der Einführung moderner Ziel- und Performance Management Instrumente wie OKRs für Unternehmen mit eher traditionellen Strukturen?

Wenn ich OKR zum ersten Mal vorstelle und skizziere, gibt es beim Thema Transparenz das erste Stirnrunzeln. Dass Ziele in der gesamten Organisation – angefangen bei den obersten Unternehmenszielen bis hin zu Teamzielen oder teilweise auch Individualzielen – für alle sichtbar gemacht werden, fordert das Vorstellungsvermögen vieler heraus. Was heißt das für uns? Wie reagiert der Betriebsrat? Wie ist das mit dem Datenschutz vereinbar? Das sind nur einige der direkten Rückfragen mit denen ich konfrontiert werde.

Auch das Konzept der Stretch Targets – also das Setzen von extrem ehrgeizigen Zielen, bei denen eine Zielerreichung von 70% schon wirklich gut ist – widerspricht häufig der etablierten Unternehmenskultur. Ein Ziel, welches man sich vornimmt, soll auch zu mindestens 100% erreicht werden. 98% Zielerreichung ist zwar knapp daneben – aber eben daneben.

Die Auswirkungen für bestehende Performance-Management-Systeme sind dementsprechend groß. Das Umdenken weg von reiner Zielerreichung hin zu Entwicklung und kreativem Fortschritt fordert traditionelle Führungssysteme und die zugrundeliegende Führungskultur heraus.

Workpath Magazin: Und (wie) kann man diese Herausforderungen lösen? 

Eine große Rolle spielt hierbei das Managementteam, ganz im Sinne des „Walk-the-talk“. Wenn die Geschäftsführung anfängt, ihre Ziele transparent zu machen, Bereichsleitungen nachziehen und die Teams und Führungskräfte erkennen, dass Transparenz zu Zielen enorme Vorteile bietet, verfliegen die anfänglichen Bedenken relativ schnell. Das Ganze wird unterstützt, wenn OKR nicht zu Beginn auf Mitarbeiterebene eingeführt wird und so keine direkten Rückschlüsse von Zielen, Zielerreichung und Entlohnung gezogen werden können.

Zudem achte ich darauf, dass die OKR-Systeme den jeweiligen Gegebenheiten angepasst werden. Wenn in der Unternehmenskultur zum Beispiel das Thema „Zielerreichung“ ganz stark verankert und für das Selbstbewusstsein der Teams und Führungskräfte entscheidend ist, dann macht es zum Start keinen Sinn, das Konzept der Stretch-Targets umzusetzen. Die Organisationen sollen sich an OKR und deren Wirkung gewöhnen und dann Schritt für Schritt das System weiterentwickeln.

Workpath Magazin: Wie hängen Unternehmensstrategie und OKRs Deiner Meinung nach zusammen? Wie können OKRs helfen, Strategien erfolgreich umzusetzen?

Eine gute Strategie ist für mich Grundvoraussetzung für die Einführung von OKR. Die Strategie gibt den Teams die notwendige Orientierung für die Entwicklung von OKRs und stellt sicher, dass die Umsetzungsenergie in die richtige Richtung gelenkt wird. Fehlt dies, führen OKRs unter Umständen zu gefährlichem Aktionismus und ständigen, kurzfristigen Richtungswechseln. Also insofern ist eine gute Strategie ohne konsequente Umsetzung durch z.B. OKRs ebenso wirkungslos wie ein gut funktionierender OKR-Prozess ohne übergeordnete Orientierung.

OKR helfen den Teams und Mitarbeitenden, die strategischen Eckpunkte in konkrete Ziele – die neben dem Tagesgeschäft bearbeitet und erreicht werden sollen – zu übersetzen. OKR bietet ein passendes System, um diese Ziele dann mit ausgeprägtem Fokus zur Umsetzung zu bringen.

Workpath Magazin: Welche (Erfolgs-) Geschichte macht Dich besonders glücklich, wenn Du über all die Unternehmen nachdenkst, welche Du bereits bei der OKR Einführung oder Umsetzung begleitet hast?

Es gibt einen roten Faden der sich durch alle Projekte zieht: der Moment, in dem für die vielen engagierten Teams und Mitarbeitenden sichtbar wird, dass sie einen wesentlichen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten. Das ist dann der Moment, in dem sich die anstrengenden Workshops und Coachings wirklich auszahlen.

Aktuell arbeite ich gerade in einem OKR-Projekt im Umfeld eines Turnarounds. OKR sollen hier nochmals positive Umsetzungsenergie freisetzen. Wenn das Team so weiter macht wie bisher, werden OKRs einen wesentlichen Beitrag zu einer Standortsicherung geleistet und die Weichen für ein erfolgreich überarbeitetes Geschäftsmodell gestellt haben. Da ich bisher schwerpunktmäßig Wachstumsstrategien mit OKR begleitet habe, würde mich dieser erfolgreiche Projektabschluss besonders glücklich machen.

Workpath Magazin: Welche Superkraft haben OKRs?

Mein absoluter Favorit ist Fokus. In den seltensten Fällen fehlt es den Unternehmen mit denen ich zusammenarbeite an guten Ideen – im Gegenteil: Ich erlebe ein deutliches Überangebot an guten Ideen im Vergleich zu den zur Verfügung stehenden Ressourcen an Zeit, Geld und Energie. Sich mit OKR auf ein paar wenige, dafür aber sehr erfolgsversprechende und gewichtige Dinge zu fokussieren, halte ich persönlich für die Superkraft schlechthin bei OKR.


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