Praxistipp Zielmanagement #9: Nutzen Sie die 80-20-Regel im Umgang mit Zielen

Viel Tagesgeschäft = Umsetzung in Gefahr

Selbst für die am besten aufgesetzten Zielsysteme mit perfekt formulierten und strukturierten Zielen, ausgerichtet am Unternehmensziel und in der richtigen Anzahl, gibt eine, entscheidende Unwägbarkeit: das TAGESGESCHÄFT.

Diese Erfahrung machte eine ganze Organisation, für die ich viele Jahre erfolgreich arbeitete. Bei einem der unternehmensweiten Führungskräftemeetings behandelten wir die Frage, warum es der Organisation nicht gelingt, ihre Ziele kontinuierlich zu erreichen. Unser CEO hielt uns an, zu prüfen, wieviel Zeit wir in den letzten Wochen in unsere Jahresziele investiert hatten. Das Durchklicken meines Outlook-Kalenders öffnete (nicht nur) mir die Augen: Mein Kalender war durchgeplant von Montag bis Freitag: zig Terminserien mit Jour-fixen, Führungskräftemeetings, Meeting zu Kundenfall 1, Meeting zu Produkt A, Meeting zu aktuellen Serviceinitiativen, Organisationsprojektmeeting, Workshop Marketing-Vertriebsschnittstelle usw. – keiner der Termine stand in direktem Zusammenhang mit meinen wichtigen, strategischen Zielen; sie wurden alle von den Herausforderungen des Tagesgeschäfts geleitet…

Da die gesamte Organisation an überbordendem Tagesgeschäft litt, wurde an dieser Führungskräftekonferenz die Initiative „Zeit für Ziele“ entwickelt. 

Zeit für Ziele – 3 Terminblocker pro Woche:

Initiiert durch den Vorstand wurde in der Woche nach der Konferenz eine Outlook-Termin-Serie „Zeit für Ziele“ ins Leben gerufen. 

  • Alle Fach- und Führungskräfte haben an drei Tagen die Woche jeweils 2 Stunden einen festen Termin in Outlook eingetragen bekommen – Kategorie: nicht verfügbar.

  • In dieser Zeit wurden keine Termine mit anderen Führungskräften eingeplant – unternehmensweit.

  • Wir wurden vom Vorstand ermutigt, Terminanfragen für diese Zeiträume abzulehne.

  • Einzige Aufgabe: die Zeit nutzen, um konzentriert an Zielen und damit verbunden Herausforderungen zu arbeiten.

Praxistipp: Nutzen Sie die 80/20-Regel auch für Ziele

Die Arbeit an den Zielen wird immer in Konkurrenz zu den Herausforderungen des Tagesgeschäfts stehen. Ein eiliger Auftrag, der schnell bearbeitet werden muss, der Bericht für das Controlling, der heute noch abgeben werden muss, der Kollege der gerade nicht weiterkommt und Hilfe benötigt. Typische Situationen die auftreten, wenn Sie oder Ihre Mitarbeitenden an den Zielen arbeiten wollen. Es wäre damit falsch zu glauben, dass alle 100% ihrer Zeit für Ziele aufbringen können. Realistisch sind 20%, die restliche Zeit wird und sollte auch für die Bearbeitung des Tagesgeschäftes in Anspruch genommen werden.

80% = Tagesgeschäft | 20% = Arbeit an Zielen

Daraus ergeben sich wichtige Ableitungen für die Quantität und Qualität der Ziele:

  • Arbeiten Sie nur an einer begrenzten Anzahl der Ziele, dafür dann aber mit vollem Fokus – blocken Sie sich entsprechende Zeiten und räumen Sie diese auch Ihren Mitarbeitenden ein.

  • Richten Sie die Ziele an Themen und Aufgabenstellungen aus, die die Organisation im Gesamten, das Team oder sogar den einzelnen Mitarbeitenden auf ein höheres Leistungsniveau heben und nicht am Tagesgeschäft – das wird sowieso bearbeitet.

Wem der Sprung in das softwaregestützte und cloudbasierte Zielmanagement zu groß erscheint, kann alternativ auch mit herkömmlichen Mitteln wie Excel, Sharepoint oder Aushängen in Team-Ecken die Ziele und deren Erreichung transparent machen.

Noch ein Praxistipp: Warum fixe Termine zu Zielen hilfreich sind

Brauch man wirklich fixe Zeitblöcke, um an den wichtigsten Themen zu arbeiten? Neben dem Tagesgeschäft kann auch häufiges „Context Switching“ zu Schwierigkeiten in der Umsetzung führen. Context Switching im Umfeld der Arbeitsproduktivität beschreibt die Herausforderung, zwischen unterschiedlichen Aufgaben hin und her zu springen. Im Durchschnitt benötigt es 25 Minuten, um nach einer Störung oder auch einer bewussten Aufnahme einer neuen Aufgabe, bis man sich in das Thema hinein gedacht hat. Gerald Weinberg hat die damit verbunden Kosten des Context Switching beschrieben:

Quelle: Gerald Weinberg – Quality Software Management

Quelle: Gerald Weinberg – Quality Software Management

Wenn man also an einem Thema arbeitet, stehen 100% der Zeit zur Verfügung. Kommt ein weiteres Thema hinzu, gehen nach Weinberg 20% der Zeit unwiderruflich an das Context Switching verloren, bei drei Themen, stehen für das jeweilige Thema nur noch 20% der Arbeitszeit zur Verfügung. Fixe Termine, an denen Sie ungestört an Ihren wichtigsten Zielen arbeiten können werden somit zum Erfolgsbeschleuniger – wenn Sie sich für die Zeitblöcke nicht zu viel vornehmen.

The difficulty lies not so much in developing new ideas as in escaping from old ones.
— John Maynard Keynes

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Photo by al ghazali on Unsplashh